Der § 11 Jugendarbeit in Verbindung mit dem § 74 Förderung der freien Jugendhilfe des Achten Sozialgesetzbuches (SGB VIII) bilden die rechtliche Grundlage der Arbeit pädagogisch betreuter Spielplätze. Diesen Auftrag des Gesetzgebers erfüllen Jugendfarmen und Aktivspielplätze in idealer Weise: Sie sind pädagogisch betreute Spielplätze, die vor allem Kinder und Jugendliche im Schulalter ansprechen – Kinder und Jugendliche, die ein hohes Maß an Bewegungsbedürfnis, Erlebnishunger und Neugier mitbringen.

Handlungskonzepte der Arbeit auf pädagogisch betreuten Spielplätzen

Grundprinzipien wie Offenheit und Freiwilligkeit, Partizipation, Freiräume schaffen, pädagogische Begleitung und Parteilichkeit, Ganzheitlichkeit, Lebenswelt- und Sozialraumorientierung, Geschlechtergerechtigkeit, Nachhaltigkeit und die tiergestützte Pädagogik sind handlungsleitend für die Arbeit von pädagogisch betreuten Spielplätzen.

Ziele pädagogisch betreuter Spielplätze

Es sind die primären Ziele, bei Kindern und Jugendlichen Selbstbestimmung, Verantwortung und Demokratieverständnis zu fördern – dies ergibt sich direkt aus den Einsichten in die Spiel-, Lern- und Lebenssituation der Kinder. Mit diesen Fähigkeiten werden Kinder und Jugendliche in die Lage versetzt, eine bessere Gesellschaft mitzugestalten. Die pädagogischen Zielsetzungen lassen sich in den drei Bereichen Soziales Lernen, Bildung sowie Ausgleich und Entspannung darstellen.

Handlungskonzepte der Arbeit auf pädagogisch betreuten Spielplätzen

Offenheit und Freiwilligkeit

Das Prinzip der Offenheit bedeutet Freiwilligkeit des Besuchs und der Teilnahme an allen Angeboten und Maßnahmen. Es bedeutet Kostenfreiheit und die berwiegende Arbeit mit offenen Gruppen sowie die räumliche Zugänglichkeit und Verfügbarkeit für alle jungen Menschen, unabhängig von Alter, Geschlecht, sexueller Identität, Religion, Nationalität, individuellen Fähigkeiten, sozialer oder ethnischer Herkunft oder finanziellen Möglichkeiten. Das bedeutet auch Offenheit für neue und andere Ideen und Vorgehensweisen sowie für alternative Handlungs- und Erfahrungsmöglichkeiten. Kulturelle, weltanschauliche und politische Ungebundenheit sind daher vorausgesetzt.

Freiräume schaffen

Kinder und Jugendliche brauchen Gelegenheiten, ihre eigenen Ideen zu verwirklichen. Sie brauchen Freiräume, um sich ausgiebig zu bewegen, und Lebensräume, um miteinander Erfahrungen zu machen. Betreute Spielplätze bieten diese Handlungs- und Spielräume im weitesten Sinne. Hier können sich Kinder und Jugendliche überwiegend selbstbestimmt und selbsttätig entdecken, erleben, ausprobieren und entwickeln – in einem Freiraum, in dem sie nicht unter permanenter Kontrolle durch Erwachsene stehen. Kinder und Jugendliche können für sich sein, werden aber nicht alleingelassen.

Partizipation

Pädagogisch betreute Spielplätze sind Orte, die nicht nur für Kinder und Jugendliche gestaltet wurden, sondern auch von ihnen. Es ist daher Aufgabe der Träger und Mitarbeitenden, angemessene und echte Formen der Partizipation zu pflegen. Das Prinzip der Partizipation geht davon aus, dass sich Kinder und Jugendliche hier an der Gestaltung ihrer Lebenswelt aktiv beteiligen können, wenn ihnen die Möglichkeit gegeben wird, Mitbestimmung zu erproben, Dinge selbst in die Hand zu nehmen, zu organisieren, und Verantwortung zu übernehmen (Thole 2000, S. 260). Partizipation bietet ein Lernfeld der Einübung demokratischen Handelns (IfE/IRIS 2004, S. 91). Es sind Elemente wie Mitwirkung, Mitbestimmung, Mitgestaltung, die auch Eigenverwaltung, Mündigkeit, Interesse, Engagement, Identifikation und Selbstvertrauen fördern; sie machen zudem Regelwerke, Abläufe und Entscheidungen transparent. Die Veränderbarkeit und Vielseitigkeit der Einrichtung ist eine zentrale Voraussetzung für Partizipation.

Ziele pädagogisch betreuter Spielplätze

Soziales Lernen

Die soziale Kompetenz von Kindern und Jugendlichen erweitern

Inklusion, Toleranz und Respekt im Miteinander üben

Arbeit pädagogisch betreuter Spielplätze fördert durch die Angebote und die Offenheit ein friedliches, tolerantes und wertschätzendes Miteinander. Gerade die Prozesse der Offenen Arbeit und das breite Angebotsspektrum schaffen eine Atmosphäre des offenen Lernens und Experimentierens, die ihrer Natur nach fehlerfreundlich ist. Die handwerklichen und tierpflegerischen Angebote stellen Herausforderungen für alle Besucher*innen dar. Hier werden Dinge ausprobiert und neue Fähigkeiten entdeckt. In der Regel sind die Anforderungen im Umgang mit Tieren oder auch Werkzeugen so ungewohnt und komplex, dass Menschen sowohl mit als auch ohne Behinderungen sich die Tätigkeiten neu aneignen und sich gegenseitig helfen müssen, damit ein Projekt gelingt. In der gemeinsamen Arbeit finden die Heranwachsenden einen leichteren Zugang zueinander. Füreinander das Werkzeug halten oder für den Anderen einen Rollstuhl schieben bilden fließende Übergänge im Gesamtprozess des miteinander Gestaltens und Arbeitens.

Das Setting pädagogisch betreuter Spielplätze bietet viele Möglichkeiten, sprachliche und körperliche Formen der Beeinträchtigung zu überwinden. Hierbei sind eine fachliche Qualifikation des Personals und eine angemessene personelle Kapazität wichtige Grundlagen für gelingende inklusive Prozesse. Auf Bundesebene werden im Fachverband BdJA im Rahmen des Projekts Spielfalt Handlungskonzepte für inklusive Arbeit auf Jugendfarmen und Aktivspielplätzen entwickelt (BdJA 2019). Handlungsleitend für die pädagogische Arbeit ist die Haltung, dass allen Kindern und Jugendlichen, die diese Einrichtungen besuchen und deren Angebote wahrnehmen möchten, dies ermöglicht wird. Die UN-Menschenrechtscharta und die UN-Behindertenrechtskonvention geben hierfür die maßgeblichen Orientierungsgrundlagen (BdJA 2017).

Verantwortung fördern

Auf pädagogisch betreuten Spielplätzen lernen Kinder und Jugendliche, Verantwortung für das eigene Handeln, die Umwelt und Mitmenschen zu übernehmen. Sie üben diese Kompetenzen durch die gemeinsame Gestaltung des Alltags und ihrer Aktivitäten. So ist ein wichtiger Bestandteil der regelmäßigen Platzversammlung die Klärung von Problemen und das Aushandeln von Regeln.

Selbstbewusstsein stärken und Identitätsentwicklung unterstützen

Ein realistisches Selbstbild zu entwickeln, die eigenen Stärken und Schwächen kennenzulernen und ein positives Selbstwertgefühl aufzubauen ist eine wichtige Entwicklungsaufgabe. Neben Orten und Dingen, um sich selbst auszuprobieren, brauchen Kinder und Jugendliche Erwachsene, die Zeit haben, sie bei diesen Erfahrungen zu unterstützen und gemeinsam mit ihnen Erlebtes zu reflektieren. Erfolgserlebnisse durch das Erreichen selbst gesteckter Ziele, Bestätigung und Anregung stärken das Zutrauen in die eigenen Kräfte und Möglichkeiten. Die Erfahrungsräume und Materialien dafür stellt der betreute Spielplatz zur Verfügung. Die Mitarbeitenden sehen sich als Partner und Partnerinnen in der Begleitung der Kinder.

Die soziale Kompetenz von Kindern und Jugendlichen erweitern

Ziel der Arbeit pädagogisch betreuter Spielplätze ist es, im täglichen Miteinander die soziale Kompetenz von Kindern und Jugendlichen zu erweitern. Die Aufgabe der Mitarbeitenden ist es, die Kinder und Jugendlichen mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen zu beobachten und die Prozesse, die sich aus dem Miteinander ergeben, so zu moderieren, dass die unterschiedlichen Interessen wahrgenommen und gelebt werden können. Hier sind häufig Aushandlungsprozesse nötig, damit die Heranwachsenden zu ihrem Recht kommen und sich die Beteiligten auch in Konfliktsituationen einigen. Das Vertreten eigener Interessen wird gelernt, die Wahrnehmung der Interessen von anderen Menschen und Tieren, die weniger durchsetzungsstark sind, und die gewaltfreie Kommunikation können eingeübt werden. Das führt die Kinder und Jugendlichen auf den Weg zu mündigen demokratischen Bürgern unserer Gesellschaft.

Bildung

Pädagogisch betreute Spielplätze sind Einrichtungen der außerschulischen Kinder- und Jugendbildung

Entwicklung und Kreativität

Die vielfältigen Möglichkeiten eines pädagogisch betreuten Spielplatzes fordern Kinder und Jugendliche zum Probieren, Entdecken und Experimentieren heraus. Bei der Lösung praktischer Probleme ist Improvisation gefragt und so kann Phantasie im Alltag umgesetzt werden. Durch die Möglichkeit, selbst schöpferisch tätig zu werden oder einfach etwas Spannendes zu tun, werden Kinder und Jugendliche zur eigenständigen Weiterentwicklung motiviert.

Bauen und Handwerk

Die Trennung von Lebenswelt und Arbeitswelt der Erwachsenen verhindert für Heranwachsende eine direkte Erfahrung mit Werkzeug und Material und mit traditionellen Handwerkstechniken. Solche Handwerkstechniken wie Schmieden, Filzen, Töpfern oder Korbflechten sind ein Bildungsschwerpunkt betreuter Spielplätze. Kinder erwerben Wissen über traditionelle Gewerke und erproben sich in alten Herstellungstechniken. Das fördert einen respektvollen Umgang mit Dingen und Ressourcen. Beim Werken, Basteln und Bauen können handwerkliche Fähigkeiten und Fertigkeiten erlernt und geübt werden, was sowohl der Allgemeinbildung dient, als auch für die spätere berufliche Orientierung hilfreich ist.

Eine zentrale Rolle auf betreuten Spielplätzen nimmt der Hüttenbaubereich ein. Hier werden drei wichtige Prinzipien verwirklicht: Die Partizipation – Kinder und Jugendliche können sich ihren Spielplatz selbst gestalten, indem sie ihn von Grund auf selbst bauen. Die Sozialisation – eine Hütte kann man nicht alleine bauen; wenigstens drei Kinder sollten sich dafür zusammenfinden. Es gibt Nachbar*innen, die Besitzer*innen der nächsten Hütten, mit denen man sich über die Gestaltung der Wege oder Brücken zwischen den Bauten einigen muss. Den Umgang mit Gefahren lernen – Bauspielplätze bieten ein Gefahrenpotenzial und dennoch geschehen vergleichsweise wenige Unfälle, da die Kinder mit den Abständen, Höhen, Werkzeugen etc. bewusst umzugehen lernen.

Das Spielen

Pädagogisch betreute Spielplätze sind natürliche Orte des Spielens. Ganz im Sinne von Andreas Flitner (1998), der Spielen die Arbeit des Kindes nannte, wird dem Spielen auf Jugendfarmen und Abenteuerspielplätzen eine zentrale Bedeutung beigemessen. „Der Mensch […] ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“ (Schiller 1795). Daher gehören Spiele zu den alltäglichen Aktivitäten. So werden z. B. draußen regelmäßig Spielaktionen mit größeren Gruppen organisiert. Selbstständig spielen die Kinder und Jugendlichen aber auch klassische Spiele wie Badminton oder Tischtennis. Darüber hinaus werden alte Spiele (z. B. Verstecken oder Murmeln) und neuere (z. B. Kubb) bekannt gemacht. In überdachten Räumen werden täglich neben Kicker und Billard auch immer wieder neue Spiele am Spieltisch ausgeübt. Immer geht es dabei um die Auseinandersetzung mit Anderen, in den gruppendynamischen Prozessen bei wilden Spielen im Freien genauso wie am Spieltisch.

Primärerfahrungen ermöglichen

Die bewusste Arbeit mit den Elementen Erde, Wasser, Luft und Feuer wird zur Heranführung an ökologische Grundfragen unserer Erde und der Beziehung des Menschen zu der uns umgebenden Welt genutzt. Das Spielen mit den vier Grundelementen der Natur fördert auf sinnliche Weise die Beziehung der Heranwachsenden zur Natur und schafft somit eine Grundlage für ökologisches Bewusstsein.

Naturerfahrungsräume zur ökologischen Bildung

Naturerfahrungsräume sind ein zentraler Aspekt pädagogisch betreuter Spielplätze. Kinder brauchen Freiräume, in denen sie ihren Bewegungsdrang ausleben, ihrer Phantasie freien Lauf lassen und selbst gestaltend tätig werden können. Auf pädagogisch betreuten Spielplätzen können Kinder unmittelbar Natur und deren Elemente erleben, biologische Kreisläufe und ökologische Zusammenhänge erfahren.

Abenteuer und Entspannung

Pädagogisch betreute Spielplätze sind ein Treffpunkt für Kinder und Jugendliche unterschiedlichen Alters

Bewegung

Der Alltag von Kindern und Jugendlichen ist häufig sehr bewegungsarm. Pädagogisch betreute Spielplätze bieten vielfältige Möglichkeiten und Anregungen zu bewegungsaktivitäten im Freien. Laufen, Rennen, Klettern, Hangeln, Balancieren usw. ermöglichen Körpererfahrungen, die in unserer technisierten Welt nach und nach verloren zu gehen drohen. Aktiv zu sein bedeutet zudem wirksam zu sein, zu handeln, teilzunehmen, tätig zu sein oder etwas in Bewegung zu setzen.

Entspannung

Schule, Leistung und Kontrolle prägen heutzutage den Alltag vieler Kinder und Jugendlicher. Als Alternative stellen pädagogisch betreute Spielplätze Freiräume zur Verfügung, in denen sich Kinder und Jugendliche frei von Zwängen und der Anforderung, etwas tun zu müssen, entspannen und entfalten können.

Abenteuer

Pädagogisch betreute Spielplätze sind auch Abenteuerspielplätze, d. h., um spannende Erfahrungen machen zu können, sind Arrangements und Aktivitäten notwendig, die ein gewisses, überschaubares Gefahrenpotenzial vorhalten. Ein Abenteuerspielplatz darf also auch gefährlich sein, damit er nicht langweilig wird. Dies wird deutlich bei Aktionen z. B. am Feuer, beim Reiten oder beim Klettern, die auch erlebnispädagogischen Charakter haben (Schock 2007).

Pflichtaufgabe

Rechtsgutachten und Positionspapier zur Kinder- Jugendarbeit nach § 11 SGB VIII

im Zuge der SGB VIII Reform hat der Bund der Jugendfarmen und Aktivspielplätze e.V. zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft Jugendfreizeitstätten Baden-Württemberg e.V. ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Herr Prof. Dr. Kepert vom Freiburger Zentrum für Kinder- und Jugendhilfe hat uns ein sehr gutes Gutachten mit den landesrechtlichen Regelungen in BW zur Umsetzung geschrieben.

Offene Kinder- und Jugendarbeit ist eine wichtige Säule in der sozialen Infrastruktur und durch die Definition im SGB VIII eine Pflichtaufgabe!

Die Anforderungen und Aufgaben innerhalb des Arbeitsfeldes sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Aufgrund der in den letzten Jahren verzeichneten Rückgänge in der finanziellen Förderung der Offenen Arbeit besteht im Landesrecht – nicht nur in Baden-Württemberg – eine dringende Neuregelung.